Im Berliner Osten zwischen dem bereits brandenburgischen Ahrensfelde und der Spreemündung in Köpenick befindet sich ein gut 16 km langgestreckter Grünzug in Nord-Süd-Richtung - das Wuhletal, Rest einer Abflussrinne der letzten Eiszeit.
Die meisten Anwohner verbinden derzeit mit dem Gewässer Wuhle allerdings eher den seit etwa 1984 aus dem Klärwerk Falkenberg gespeisten Klärwerksableiter, der sich bis zum Zusammenfluss kurz vor dem Stadtrand Neue Wuhle nennt.
Die eigentliche Wuhle kann man bis zu diesem Punkt zumindest noch als solche erkennen, jedoch hat sie auch hier schon einen grabenartigen Charakter, hervorgerufen durch Begradigungen, Ausbaggerungen und Abböschungen.
Auf Berliner Gebiet befinden sich vom originalen Wuhleverlauf nur noch kaum erkennbare Reste. Die gesamte Umgebung des Klärwerksableiters ist stark durch anthropogene Einflüsse geprägt, selbst die naturnah erscheinenden Bereiche sind im Zuge von Renaturierungsmaßnahmen entstanden. Zum ursprünglichen Landschaftsbild des Urstromtals gehörende Moorflächen und Kleingewässer sind ebenfalls vollständig verschwunden und wurden erst durch Renaturierung an verschiedenen Stellen wieder angelegt.
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Blick nach Norden vom Biesdorfer Berg zum Bahnhof Wuhletal (1989 / 2001)
Trotzdem handelt es sich beim Wuhletal um eines der wichtigsten großflächigen Biotope Berlins. In weiten Teilen des Verlaufes nördlich der B1 gibt es eine Bebauung oder andere Intensivnutzung erst in größerem Abstand zur Wuhle. Drei nach 1945 aufgeschüttete und mittlerweile auch größtenteils bewaldete Bau- und Kriegsschuttdeponien dominieren mit bis zu 112 m NN Höhe das Bild der Landschaft. Von den im oberen Bereich baumfreien Ahrensfelder Bergen bietet sich ein weiter und interessanter Blick über das Stadtgebiet, den Barnim und natürlich das Wuhletal.
Der für die Tier- und Pflanzenwelt wichtigste Bestandteil sind jedoch die im Zuge von Renaturierungs- und Wasserbaumaßnahmen entstandenen Kleingewässer, wobei besonders die an den Kienberg grenzenden Wuhleteich und Nesselsee sowie der Weidenpfuhl an den Ahrensfelder Bergen eine erstaunliche Artenvielfalt beherbergen.

Das Wuhletal bietet derzeit noch Lebensraum für eine Vielzahl von Pflanzen- und Tierarten, die ansonsten aus dem Berliner Stadtgebiet verschwunden oder selten geworden sind. So lassen sich hier noch Hasen und Rehe beobachten. Bei den (mir besonders am Herzen liegenden) Vögeln sind besonders die Bruten von Zwergtaucher, Rohrweihe, Wachtelkönig, Gebirgsstelze, Schlag- und Feldschwirl, Beutelmeise, Neuntöter sowie Drossel-, Teich- und Sumpfrohrsänger hervorzuheben. So erreicht letzterer im Wuhletal mit mehr als 50 Paaren eine der höchsten Brutdichten im Berliner Raum.

Große Bedeutung besitzt das Wuhletal auch als Durchzugs- und Überwinterungsgebiet für die Vögel (siehe auch meine Ornithologie-Seiten). Die durch den Warmwasserausfluss gewährleistete Eisfreiheit begründet im Winter besonders im Bereich der Neuen Wuhle große Ansammlungen von Enten, Rallen und Zwergtauchern. Noch ungewöhnlicher sind die Überwinterungen von Kleinvögeln wie Bergpieper, Gebirgsstelze, Zilpzalp und Hausrotschwanz.
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Winter 2001 am Biesdorfer Berg
Wegen des ansonsten nicht gerade mit reicher Natur ausgestatteten äußeren Osten Berlins mit seinen hauptsächlich auf ehemaligen Rieselfeldern entstandenen Plattenbau-Großsiedlungen lastet ein erheblicher Erholungsdruck auf dem Wuhletal. An einem erheblichen Teil des Wuhlelaufes bestehen beidseitig gut ausgebaute Wegenetze, neuerdings sogar mit parkähnlichen Ausbaukonzepten. Nur der relativ großen räumlichen Ausdehnung ist es zu verdanken, dass es - besonders in den nicht so leicht zugänglichen Feuchtbiotopen - immer wieder Stellen gibt, die solche Rückzugsmöglichkeiten bieten, wo die Störungen durch Menschen sowie freilaufenden Hunden und Katzen von den wildlebenden Tieren noch toleriert werden können.
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Sommer 2001 am Biesdorfer Berg
Es wird höchste Zeit, dass die politisch Verantwortlichen die vorgelegten Konzepte zum Erhalt dieser für Berlin so wichtigen Landschaft schnellstmöglich umsetzen. Dazu gehört mit Sicherheit nicht die Anlegung weiterer Wege, Brücken und Parkbereiche, sondern die konsequente Renaturierung des gesamten Bachlaufes nördlich der B1.

Wichtigste Maßnahmen hierfür sind der Rückbau des Kanals und damit die komplette Abflachung sowie die (zunächst künstlich hervorgerufene) Mäandrierung des Wuhleverlaufes, um die Fließgeschwindigkeit zu senken. Der Zufluss von Regenwasser als natürliche Wasserquelle muss durch geeignete Regenrückhaltemaßnahmen im gesamten Einzugsgebiet (Großsiedlung Marzahn-Hellersdorf) so geregelt werden, dass er möglichst kontinuierlich erfolgt.

Durch das geringe Gefälle setzt mit der Mäandrierung auch wieder das Wachstum der Moore ein, welche als Wasserspeicher von großer Bedeutung sind. Gehölzpflanzungen (mit einheimischen Arten!) sollten sich auf die Randbereiche beschränken.

Sollten keine betreffenden Maßnahmen getroffen werden, droht die Austrocknung des Wuhletals innerhalb weniger Jahre. Die damit einhergehende Verödung der Landschaft dürfte den fortschreitenden sozialen Niedergang der Großsiedlung Marzahn-Hellersdorf weiter beschleunigen. Ein Gegensteuern ist also auch unter diesem Aspekt dringend angeraten.

Nachsatz (Winter 2004/05):
Inzwischen sind viele Befürchtungen eingetroffen. Der obere Teil liegt komplett trocken, der Mittellauf führt nur weniges, schnell ablaufendes Wasser. Erst südlich der Heesestraße gibt es durch den Rückstau der Spree ein für Wasservögel ausreichendes Wasserniveau. Die ehemaligen Altarme und seitlichen Tümpel sind im Sommer vollständig verlandet, selbst das Gebiet unterhalb vom Kienberg ist bereits dramatisch davon betroffen.
Zusätzlich zur Austrocknung hat die weiträumige touristische Erschließung zu einem noch höheren Störungseinfluss geführt. Daraus resultierend sind die Brutbestände der Wasservögel erheblich zurückgegangen, insbesondere Arten wie Zwergtaucher und Teichralle sind selten geworden. Für Berlin geradezu exotische Arten wie Gebirgsstelze, Schlagschwirl, Rohrweihe und Wachtelkönig dürften als erfolgreiche Brutvögel ebenfalls verloren sein.
Ähnliche Auswirkungen gibt es auch für die Winterbestände zu vermelden (diese lassen sich allerdings auch durch eine Renaturierung nicht wieder zurückholen - hier fehlt einfach der Warmwasserzulauf). Bemerkenswerte Beobachtungen sind kaum noch zu registrieren.

Nachsatz Sommer 2007
Mit immensen Fördergeldern ist inzwischen ein erheblicher Teil der Wuhle "renaturiert" worden.
In erster Linie bedeutet dies eine noch weitergehende touristische Erschließung mit breiten Wegen und zusätzlichen Brücken. Gelungen ist die Verschmälerung, die zumindest leichte Mäandrierung und der Einbau von Staustufen zur Verringerung des Abflussgeschwindigkeit. Auch die Vertiefung der Torfstiche am Bahnhof Wuhletal ist ein Schritt in die richtige Richtung. Ein weitaus rigoroseres Staumanagement am Kienberg ist dringend notwendig, der Nesselsee und der Fabiansteich stehen trotz des feuchten Sommers unmittelbar vor der Austrocknung.
Es bleibt zu hoffen, dass in den kommenden Jahren die durch die Bauarbeiten am Bachlauf völlig zerstörten Gebüschen und Ruderalfluren ihrem natürlichen Wachstum überlassen werden, um den zahlreichen Gebüschbrütern wieder Nistgelegenheiten zu geben. Ein Brennesselgebüsch mag den meisten Menschen als lästiges Unkraut erscheinen. Die Sumpfrohrsänger werden es aber lieben!